Brisante Lage in der Stahlbranche: Kippt es?
845 Euro je Tonne für Warmband ist zu wenig, und so reagiert ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt auf rückläufige Stahlpreise mit Kurzarbeit. Alle Bemühungen den Spotpreis mit einer 9 beginnen zu lassen, scheitern. Die Automobilindustrie muss für die Stahlhersteller jetzt die Kohlen aus dem Feuer holen. Tut sie es nicht, rutschen die Hüttenbetreiber ins Minus.
"Aktuell sehen wir einen starken Nachfragerückgang bei Walzprodukten", heißt es in einem Schreiben von Geschäftsführer Michael Bach. Man könne daher die Anlagen in den Walzwerken nicht mehr voll auslasten und müssen im August und September auf Kurzarbeit zurückgreifen.
Der Spotpreis für Warmband war auf 860 Euro je Tonne ex-works Ruhr am 22. Juli gestiegen. Anstatt weiter Richtung 900 Euro zu klettern, kam es zu einem Rücksetzer auf 845 Euro. Stahlhersteller, Distributoren und Endabnehmer hatten das bereits kommen sehen.
Weiterlesen: Stahlpreis Prognose Juli 2022: Langsamer abwärts
Die Liste ist lang: Neben Eisenhüttenstadt hat ArcelorMittal in Bremen Kurzarbeit eingeführt und in Dünkirchen einen Hochofen abgeschaltet. Kleinere Flachstahlhersteller wie US Steel Kosice und Liberty Ostrava nahmen ebenfalls Hochöfen außer Betrieb und/oder produzieren am absoluten Minimum.
Laut ArcelorMittal-Firmenchef Aditya Mittal "mache es Sinn" die Stahlerzeugung aufgrund der schwache Nachfragesituation zu verringern.
Mit Angebotsverknappung alleine werden die Stahlhersteller das aus ihrer Sicht anhaltende Problem zu tiefer Stahlpreise allerdings nicht lösen können. Die Nachfrage ist für sie "das Salz in der Suppe". Man braucht mehr davon. Der Automobilindustrie kommt eine Schlüsselrolle zu.
Man könne "vorsichtig optimistisch" sein, dass die Autohersteller die Produktion in der zweiten Jahreshälfte erhöhen, erwart ArcelorMittal-Finanzchef Genuino Christino,
Stahlhersteller unter Margendruck
"Steigende Energiepreise zehren an den Margen von EU-Stahlherstellern". Die Hersteller würden daher den Stahlausstoß verringen, meldet GMK Center."Die Lage könnte sich gegen Jahresende verschlimmern, sollten die Energiepreise weiter steigen", warnt die Metallinformationsfirma.
Laut Christino sei es positiv, dass die Stahlhersteller gegenwärtig "Disziplin in der Stahlerzeugung" walten ließen. Gleichwohl lässt sich nicht ausschließen, und das weiß natürlich auch der ArcelorMittal-CFO, dass diese Disziplin bei anhaltend schwacher Stahlnachfrage in den nächsten Monaten verloren geht.
Stahlhersteller würden ausbüxen: Anstatt die Erzeugung weiter zu senken oder auf tiefem Niveau zu halten, würden sie wieder mehr produzieren, auch um ihre Marktanteile zu erhöhen. Dieser Stahl käme dann am unteren Ende bei 800 Euro oder zu noch tieferen Preisen auf den Spotmarkt.
Kranker Mann Europas
Ein Wettrennen der Stahlpreise würde zweifelsohne die Tarifparteien in der deutschen Stahlindustrie vor Probleme stellen. Sie hatten sich Ende Juni auf den höchsten Tarifabschluss seit 30 Jahren geeinigt (6,5% mehr Geld für die Beschäftigten).
Der Arbeitgeber-Vorsitzende warnte seinerzeit die Gewerkschaften vor einem Konjunkturabschwung. Dann müssten laut Heinz Jörg Fuhrmann "die Tarifpartner Lösungen finden."
Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal nicht mehr gewachsen, teilte das Statistische Bundesamt in der letzten Woche mit. Deutschland ist unter den großen EU-Volkswirtschaften das Schlusslicht. In Frankreich, Italien und Spanien gab es, wenn auch nur gering, Wachstum.