Sind indexgebundene Stahlpreise die Lösung?
Die europäischen Automobilhersteller fordern von den Stahlwerken in der EU eine Preissenkung von 200 Euro pro Tonne für warmgewalzten Stahl (HRC). Diese Forderung resultiere aus der anhaltenden Schwäche der Automobilproduktion und dem zunehmenden Druck auf die Margen der Hersteller, meldet Argus.
Der Spotpreis für warmgewalzten Stahl ist in Nordeuropa bei 553 Euro je Tonne per 21. Oktober 2024. In Südeuropa liegt der täglich von Fastmarkets ermittelte Spotpreis bei 551 Euro.
EU-Autohersteller (OEM) haben sich zu Beginn des Jahres an einen deutlich höhere Preise gebunden. Die OEM's bezahlen offenbar 750-800 Euro für Warmband.
Diese Prämie, die sie für eine zuverlässige Versorgung mit Stahl bezahlen, ist sehr hoch. Sie deutet auf eine gewisse Schwäche hin, die Entwicklung der Stahlpreise zu prognostizieren. Prognosen basierend auf Stahlangebot und Nachfrage sind oft wenig präzise und haben Timing-Probleme.
Stahlpreise lassen sich wie Aktien-, Öl und Währungskurse mit Hilfe von Charttechnik und Price Action zuverlässiger prognostizieren. In Deutschland wird das aber nicht anerkannt. Die Bereitschaft unter Stahlkäufern, sich in der Materie von Charttechnik und Price Action fortzubilden, ist überschaubar.
Automobilzulieferer wurden von den OEM's unter Druck gesetzt, die Preise für Zulieferteile zu senken. Würden die OEM's nicht so viel für Stahl bezahlen, müssten sie nicht so sehr bei den Zulieferern auf Preissenkungen pochen, argumentieren die Zulieferer.
Zulieferkrise: Stahlpreisverfall krempelt Autoindustrie um
Indexgebundene Verträge für Stahl
Das herkömmliche Verfahren, bei dem Stahlwerke mit OEM's die Belieferungspreise für ein halbes oder Dreivierteljahr aushandeln, könnte durch indexgebundene Verträge ersetzt werden. Dabei wird der Belieferungspreis für Stahl an einen Marktindex gekoppelt, der den aktuellen Marktpreis abbildet.
Dieser Marktpreis wird in regelmäßigen Abständen, zum Beispiel monatlich, angepasst. Für Stahl gibt es spezielle Indizes, wie den von der CME Group angebotenen nordwesteuropäischen Warmbandkontrakt.
Bei einem indexgebundenen Vertrag wird der Stahlpreis für eine Lieferung nicht auf einen Schlag im Voraus festgelegt, sondern basiert auf dem Durchschnittspreis des Indizes über einen bestimmten Zeitraum.
Bei indexgebundenen Verträgen für warmgewalzten Stahl zahlen Automobilhersteller nicht genau den Preis, der im Warmbandkontrakt am Terminmarkt festgesetzt wird. Es gibt zusätzliche Kosten, sogenannte Aufschläge, die in den Vertrag eingerechnet werden. Diese Aufschläge decken verschiedene Faktoren ab, die über den reinen Marktpreis des Stahls hinausgehen.
Hier sind einige Gründe, warum der von Automobilherstellern gezahlte Preis für warmgewalzten Stahl höher ist als der Warmbandkontrakt:
- Qualitätsunterschiede: Der HRC-Index bezieht sich auf einen Standardstahl mit bestimmten Spezifikationen. Die spezifischen Anforderungen der Automobilhersteller an Stahl können jedoch höher sein (z. B. bezüglich Festigkeit, Beschichtung oder Verarbeitung), was zu Aufschlägen führt.
- Lieferbedingungen: Kosten für Transport, Logistik und Lieferung an bestimmte Standorte der Automobilhersteller sind oft nicht im Indexpreis enthalten. Diese Zusatzkosten werden den Automobilherstellern in Rechnung gestellt.
- Verarbeitungskosten: Viele Stahlwerke bieten zusätzliche Dienstleistungen an, wie z. B. Schneiden, Biegen oder andere Bearbeitungen, die nicht im Indexpreis enthalten sind.
Autohersteller nutzen bereits indexgebundene Verträge beim Procurement von Aluminium. Einige EU-Autohersteller drängten Ende 2024 auf indexbasierte Stahl-Lieferverträge umzustellen, berichtet Argus. Stahlhersteller schmetterten diese Forderung ab.
In diesem Jahr könnte es mit indexgebundenden Stahl-Verträgen klappen, sagen einige Experten. Hintergrund: Die Stahlpreise sind auf Mehrjahrestiefs. Bei einem Anstieg der Stahlpreise, der im Verlauf des 1. Quartals 2025 kommen dürfte, würden Stahlhersteller aus indexgebundenen Verträge höhere Einnahmen erzielen.
Trotzdem muss bezweifelt werden, dass sich die Stahlhersteller auf eine Indexbindung einlassen. Für sie hat das herkömmliche Verfahren, also die Preise auf einen Schlag für einen Zeitraum von sechs oder neun Monaten festzulegen, mehr Vorteile: Die Planungssicherheit ist größer, die Einnahmen besser vorhersehbar.
Bei indexgebundenen Verträgen müssten sie häufiger die Produktionskapazitäten der Hochöfen anpassen. Das verlangt eine hohe Flexibilität, die die großen integrieren Stahlwerke in Nordeuropa nicht haben.